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… bald ist Nikolausabend da. 

Nikolaustag. Ein Horrortag für uns Kinder. Zumindest damals, als ich noch eines davon war. Im Kindergartenalter.

Denn früher war nicht nur mehr Lametta wie Loriot so schön sagt sondern auch mehr Hokuspokus. Und das nicht unbedingt im positiven Sinne. Damals, als man noch glauben musste, was einem gesagt wurde. Weil man es einfach nicht besser wusste. Da wurde aus einem eigentlich zauberhaften Märchen schon mal gerne ein traumatisches Erlebnis. Gemacht. Und so hatte man vor dem Nikolausabend mit all seinen gruseligen maskierten Gesellen eigentlich einfach nur Angst. Lasst uns froh und munter sein stellte man da schon mal eher in Frage.

Heutzutage mag das anders sein. Kinder sind aufgeklärter. Abgeklärter. Nicht mehr so beeinflussbar. Und auch schlicht selbstbewusster. Das war in den 70er Jahren, als ich noch klein war, definitiv anders.

UNLUSTIGE TRADITION

Mein absolutes Anti-Lieblingsfest als Kind war damals tatsächlich dieser Nikolaustag. Nicht, dass ich generell etwas gegen ihn habe. Ich mag den dicken Mann mit dem weissen Bart und dem roten Mantel. Sehr sogar.

Egal ob als Nikolaus oder Weihnachtsmann. 

Heute. 

Aber als Kindergartenkind fand ich diesen Tag unmöglich. Er war nämlich ganz schön heftig von Angst begleitet. 

Denn ein ganz und gar nicht fröhliches “Wenn du nicht brav bist, erzähle ich alles dem Nikolaus” schwebte das ganze Jahr über und besonders in der Vorweihnachtszeit subtil in der Luft. 

Nichtlustig trallala.

War man zu meiner Zeit im Kindergartenalter in den Augen anderer nicht brav genug, bekam man am Nikolaustag nämlich laut Erwachsener keine Geschenke, sondern die Rute. Toll. Danke.
Allerdings nicht vom Nikolaus selbst sondern von seinem Knecht namens Ruprecht. Der Nikolaus machte sich die Hände nämlich natürlich nicht selbst schmutzig. Er überlies das dann freundlicherweise seinem ausgesprochen unsympathischen Bediensteten. 

Nett.

Es wurde uns Kindern also suggeriert dass die eigenen Eltern jegliche Informationen an einen wildfremden Mann mit Schlägerfreund weitergaben. Der dann all die gepetzten angeblichen Missetaten in einem dicken Buch nachlesen konnte. Datenschutz war noch nicht erfunden.

Okay.
Wenn man mal darüber nachdenkt.
Irgendwie gruselig.

Aber das wurde nicht hinterfragt. Es war einfach so. Und wenn man eben ganz besonders unartig war, dann sollte man statt Geschenken von ebendiesem Rutebewaffneten Handlanger mit struppigem Sack überm Kopf eins auf die Zwölf bekommen.

Na wenn das doch nicht mal eine hübsche Geschichte für kleine Kinder ist… Ganz ganz zauberhaft.

Ich fand diese Nikolaus und Knecht Ruprecht oder Krampus Sache also aus nachvollziehbarem Grund ziemlich blöd. Und habe nie so wirklich verstanden, wieso man sich auf diesen Tag freuen sollte. Schliesslich gab es offenbar immer irgendwas, was in den Augen anderer falsch gewesen ist. Man konnte also nie genug brav gewesen sein um diesem Zirkus zu entkommen.

Zu allem Überfluss wurde das “Unartigsein” dann auch noch vor versammelter Mannschaft vorgelesen. Im Kindergarten hatte man praktisch keine Chance, unbeschadet an diesem öffentlich Vorgeführtwerden vorbeizukommen. Wer wird als kleines Kind schliesslich nicht gerne mal eben an den Pranger gestellt. Und das auch noch vor versammelter Mannschaft.

Als Kind fand ich dieses Ritual fürchterlich. Und kann bis heute nicht richtig nachvollziehen, was einige an diesem Tribunal festhalten lässt. Ein wildfremder Mensch liest einem in der Öffentlichkeit die eigenen Unzulänglichkeiten vor. 

Schön. 

Nicht!

TRAUMA ÜBERSTANDEN

Ein Glück, dass ich mittlerweile alt genug bin und somit selbst aussuchen kann, welche Geschichten ich glauben will.

Manchmal ist es eben doch gut, älter zu werden.

Und trotz derart traumatischer Erlebnisse bin ich definitiv im Santa Clause Team! Der in meiner Welt mit diesem Nikolaus-Rutenrupert-Duo so gar nichts gemeinsam hat ausser einer Vorliebe für rote Mäntel und weisse Bärte.

Ich bin nicht sonderlich religiös. Mir ist deshalb die romantische Erfindung, oder nennen wir es vielleicht besser Interpretation, eines Getränkeherstellers von einer Nikolausfigur ehrlich gesagt tausendmal lieber. Ich will zu Weihnachten einen dicken freundlichen Mann mit rosa Wangen auf einem Schlitten, der mit Gebimmel und Getöse durch die Nacht saust, mir meine Kekse wegfuttert und ein Glas Milch dazu trinken will. Der nett ist und Geschenke bringt und der nach seinem Besuch immer ein wenig Weihnachtszauberstaub in der Luft zurücklässt.

Ich will positiv behafteten Hokuspokus.  

Und so ist auch mein persönlicher Nikolaus heute einfach nur nett wie der Weihnachtsmann, bringt in  Schokolade gegossene Selfies und kommt ohne Ruten-Ruprecht und Missetaten gedruckt in Buchform. 

Ich finde übrigens das Bestehen vieler Katholiken auf das Christkind, das an Heiligabend statt dem Weihnachtsmann die Geschenke bringen soll, äusserst amüsant. Denn wenn wir mal genau darüber nachdenken ist der Weihnachtsmann in Anlehnung an den Hl. Nikolaus von Myra nachvollziehbarer und weitaus realistischer als der Glaube an eine erfundene Lichtgestalt in Form dieses Christkindes. Denn glaubt man der Geschichte, war die Erfindung des weiblichen Christkindes mit goldenen Löckchen lediglich ein Gegenentwurf der Protestanten bzw. genauer gesagt Martin Luthers zum Nikolaus, dem die Huldigung Heiliger widerstrebte. 

Kann man nun finden wie man mag.

Ich für meinen Teil bleibe auch weiterhin im Santa Clause Team und bevorzuge einen freundlichen Mann im roten Anzug ohne Ruten-Rupert. 

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